Das Gerichtszimmer
Rathaus von 1570
Die alte Rats- und Gerichtsstube
Das Gerichtszimmer befindet sich im Obergeschoss des Rathauses und liegt - vom Marktplatz aus gesehen - hinter den beiden rechten Buntglasfenstern. Durch die weitgehend originalgetreuen Decken- und Wandmalereien, die ursprungsgerechte Türbemalung, die historisierende Möblierung sowie die Glasfenster strahlt es ein stimmungsvolles und würdevolles Flair aus.
Die Malereien an der Decke, an den Balken und Ständern sowie an der Türeinrahmung gehen auf die originale Ausmalung des Raumes von 1608 zurück. Die kräfigen, geschwungenen Blattformen in Grautönen auf dunklem Grund stellen stilisierte Akanthusblätter dar.
1908 hatte man anlässlich der Renovierung große Teile der alten Ornamentierung wieder entdeckt. Deshalb handelt es sich bei der Gestaltung zu hohen Anteilen um Auffrischungen des Urzustands und in den weniger gut erhaltenen Fällen um Ergänzungen auf der Grundlage des historischen Befundes.
Besondere Aufmerksamkeit zieht die Tür mit dem Bildnis des nur leicht beschürzten Wilden Mannes auf sich. Die Jahreszahl 1570 auf dem Türblatt verweist ihren Ursprung in die Anfangszeit des Gebäudes.
In der damaligen Zeit war es eine nicht seltene Mode, solche wilden, meist nur kaum bekleideten Menschen zur Schau zu stellen. Die seit Christopher Columbus zunehmenden Entdeckungen in der neuen Welt hatten viele Berichte über bisher unbekannte Völker und ihre Sitten zutage gebracht. Zwar fühlte man sich diesen originären Völkern überlegen, bewunderte jedoch gleichzeitig ihre ungezügelte Natürlichkeit und ihre strotzenden Kräfte.
"Sta dar buten, ick sla dy up de Snuten" gebietet der Keule schwingende Wilde.
Weil Krempe durch die Stadtrechtsverleihung eine eigene Rechtsprechung ausüben durfte, tagte der Rat in diesem Zimmer auch zu Gerichtsverfahren, um gegen Sünder peinliche Strafen und Brüche (Geldstrafe) zu verhängen und um strittige Fälle zu entscheiden.
Für diese Verfahren war Öffentlichkeit geboten. Deshalb blieb während der Sitzung die Tür geöffnet und die Abbildung verdeutlichte den davor stehenden Zuschauern, dass sie draußen zu bleiben hatten, um die Ungestörtheit des öffentlichen Gerichtsverfahrens zu gewährleisten.
Beide Fenster sind im Zuge der Renovierungsarbeiten von 1908/09 entstanden. Sie sind keine Originale oder Kopien der Gründungszeit. Scherbenfunde deuten darauf hin, dass die anfänglichen Rathausfenster aus Butzenscheiben und nur kleinen bemalten Scheiben bestanden.
Der mittlere Flügel des linken Fensters zeigt im oberen Feld das Kremper Wappen unter einem Helm mit Federzier und von klassischen Säulen gerahmt. Im unteren Feld steht auf einem Banner in plattdeutscher Sprache:
"Wa wi tohoop hebt staan, het uns noch nüms wat dahn."
Auf den benachbarten Flügeln werden die Jahreszahlen 1234 (erste Erwähnung Krempes) und 1271 (Stadtrechtsbestätigung durch Graf Gerhard I zu Holstein) wiedergegeben. Beide Zahlen sind Anhaltspunkte, halten jedoch dem heutigen Forschungsstand in der konkreten Aussage nicht mehr stand.
Das rechte Fenster zeigt in der Mitte das Wappen der Kremper Marsch mit dem schreitenden Schwan auf rotem Grund. Es wurde gestiftet von den acht Dörfern Elskop, Krempdorf, Süderau, Kamerland, Neuenbrook, Grevenkop, Borsfleth und Hohenfelde.
Viele antiquarische Erinnerungsstücke aus vergangener Zeit schmücken den Raum. Besonders hübsche Stücke sind der Leuchter und der Kamin.
Der Messing-verzierte Leuchter mit Kremper Motiven trägt die Inschrift "Mög´ in dieses Leuchters Schein alles hell und deutlich sein. - Anno 1909 - "
Der Kamin wurde 1909 neu eingebaut und ersetzte den ursprünglichen Schornstein über den das Rats- und Gerichtszimmer in alter Zeit beheizt wurde. Sein hölzerner, mehrfach gegliederter Aufsatz mit biblischen Reliefmotiven ruht beideitig auf steinernen Konsolen, die von einer männlichen bzw. weiblichen tuchbekleideten Figur getragen werden. Es ist eine holländische Arbeit des frühen 20. Jhd.
Das Kamingitter und der große Eichenschrank mit Fenstertüren wurden von den Kremper Lederwerken und ihrem Besitzer Harald Hallenstein gestiftet. Dagegen entstammt der alte Schrank neben dem Kamin der Gründungszeit, was die Jahreszahl von 1608 ausweist, die im Inneren der oberen Tür eingeschnitten ist. Siegellack-Reste an der Vorderseite erinnern an Krempes Konkurs im Jahre 1696, anlässlich dessen das Rathaus verkauft werden musste. "Die Immobilien wurden verkauft und die Mobilien verpfändet", heißt es in den Akten.
Noch viele weitere antiquarische Erinnerungsstücke aus Krempes Vergangenheit schmücken den Raum. Seien es nun Becher, Kannen, Kugeln, Hausratszeug oder auch die Tafel mit dem Kreuz einer Kriegsnagelung von1914.
Aufgrund seines ehrwürdigen Ambientes entstand der Wunsch, Trauungen im Rathaus zu ermöglichen. Das Gerichtszimmer wurde wegen seiner feierlichen Ausstrahlung zum Trauungszimmer erkoren. Seitdem haben sich schon viele Hochzeitspaare in diesem würdevollen Raum das Ja-Wort gegeben.
Heute wird das Zimmer genutzt für Trauungen und für kommunalpolitische Sitzungen.